Reisebericht Niš (Serbien) 2017

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Als ich das letzte Mal auf dem Balkan war, hieß das Land noch Jugoslawien. Das war 1987 im heutigen Kroatien. Danach kam der Jugoslawienkrieg und erst mal viele Jahre gar nichts. Doch in den letzten Jahren sind langsam aber sicher immer wieder neue Verbindungen zur Balkaninsel entstanden. Zeit, sich dem ehemaligen Reich Titos wieder etwas näher zu widmen.

Niš. Was ist das eigentlich? Den meisten wird dieser Name kein Begriff sein. Doch es ist die drittgrößte Stadt Serbiens und diese Siedlung ist sogar geschichtsträchtig. Einst von den Römern erobert, wurde Konstantin der Große in Niš geboren. Nach den Römern kamen die Bulgaren. Niš hat also eine breit gefächerte Geschichte, die sich in der Stadt auch dementsprechend widerspiegelt. Trotz Nato Bombardierung hat Niš den Balkankonflikt gut überstanden. Und so gibt es in der Stadt mit 260.000 Einwohner einiges zu entdecken.

Seit 2016 steuert Ryanair den Provinzflughafen von Niš an. Von Berlin aus zweimal die Woche. Donnerstag und Sonntag. Perfekt für ein verlängertes Wochenende. Nur hat das Ganze wieder einen Haken: Flughafen Schönefeld. Der ehemalige Ostflughafen ist schon seit Jahren ein ewiges Ärgernis. Allein die schlechte Anbindung an Honeckers Landeplatz verlängert eine Reise bis zu 1,5 Stunden. Und als hätte ich es nicht geahnt, auch dieses Mal war Schönefeld ein einziger Aufreger. In Terminal D lief gar nichts mehr. An der Sicherheitskontrolle eine Schlange, die so lang war, dass sie sich durch das ganze Gebäude zog. Entnervte Passagiere, die versuchten, sich durch die Absperrbänder zu mogeln. Überforderte Flughafenangestellte und Chaos pur. Nach knapp einer Stunde hatte ich das Desaster hinter mir. Der Flug nach Niš war mit 1:40 Minuten kurz und schmerzlos. Der Flughafen Niš „Konstantin der Große“ hatte mit Größe wenig zu tun. Klein, abgerockt, aber funktionsfähig. Geld tauschen ist am Flughafen möglich. Dort wird der gleiche Kurs ausgegeben, wie in der Stadt selbst auch. Der Schalter der Bank befindet sich außen am Flughafengebäude neben dem Kiosk.

Das Beste am Airport Niš: Das Rollfeld ist gerade einmal 4 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Es gibt mehrere Möglichkeiten, in die Stadt zu gelangen. Die schnellste Möglichkeit ist das Taxi. Schon am Eingang werden die Passagiere von etlichen Taxifahrern umworben. Eine Fahrt bis in die Stadt sollte nicht mehr als 5 Euro kosten. Noch billiger geht es mit dem Bus 34A. Die Haltestelle befindet sich etwas unauffällig am Eingang des Flughafengebäudes auf der linken Seite. Der Bus fährt bis zum Zentralen Omnibusbahnhof von Niš. Von dort aus sind es nur noch ein paar Meter zur Festung. Eine Fahrt mit dem Bus kostet 50 Cent. Es gibt natürlich noch diverse private Transportunternehmen, die auch über das Internet buchbar sind.

Der erste Rundgang in Niš führte über den King Milan Square und vorbei an der Festung bis zum Markt auf der Duke Dinic. Dort herrschte zur vorgerückter Stunde noch reges Treiben. Der erste Eindruck des Stadtbildes erinnerte mich etwas an Rumänien. Viel Substanz, die langsam verfällt. Auch hier fehlt es an allen Ecken und Enden an Investoren. Historische Gebäude neben architektonischen Entgleisungen aus Zeiten des Sozialismus der 70er und 80er Jahre. Auf den Straßen von Niš reihen sich Spätkaufs neben serbischen Grillbuden. Im Stadtkern sind etliche Restaurants und Bars zu finden, die sehr schön und gemütlich eingerichtet sind. Leider ist in den meisten Einkehrmöglichkeiten in Niš das Rauchen erlaubt und wird auch von den Gästen angenommen.

Das Preisniveau ist in Niš sehr gering. Für einen halben Liter serbisches Bier werden nicht mehr als 1,50 Euro fällig. Verhältnismäßig teuer ist nur McDonalds. Dafür muss niemand dort lange Schlange stehen. Preisgünstigeres Essen gibt es auf der Straße. Wer die serbischen Grillspezialitäten nicht probiert hat, hat wirklich etwas verpasst. Eine riesige Portion Hackfleisch im Brot mit Salat schlägt gerade einmal mit 1,40 Euro zu Buche.

Der historische Kern von Niš (wenn es denn so genannt werden kann) ist sehr übersichtlich. Es lohnt sich aber auch in Niš einfach mal ziellos durch die Straßen zu schlendern. Neben vielen frei lebenden Hunden gibt es allerhand Kurioses in der Stadt zu entdecken. Interessant ist zum Beispiel auch der historische Friedhof an der Branka Radičevića. Seit 1971 werden hier keine Toten mehr beerdigt. Fortan ist der Friedhof dem Verfall preisgegeben. Mittlerweile ist der historische Friedhof in Niš von Hunden der Stadt okkupiert worden. Je tiefer in das Friedhofsgebiet eingedrungen wird, desto mehr Hunde fangen an zu bellen. Die überwucherten und teils schon eingestürzten Gräber vermitteln gerade zur düsteren Tageszeit einen hohen Gruselfaktor.

Die Festung von Niš war bei Regen ziemlich verwaist. Nur einige Schulklassen tummelten sich auf dem weitläufigen Areal. Die Anlage ist gut in Schuss, die vielen Farbschmierereien den Mauern waren aber sehr unschön. Auf dem Gelände befinden sich neben einem Museum noch etliche (Raucher) Etablissements. Die Festung von Niš ist sehr interessant, lässt aber ein echtes Highlight vermissen.

Spannender ist es 500 Meter hinter der Festung. Dort befindet sich das ehemalige Konzentrationslager Crveni Krst. Auf Deutsch heißt das zynischer weise „Rotes Kreuz“, was zunächst namentlich wohl niemand mit einem KZ in Verbindung bringen würde. Auch das Lager Crveni Krst befindet sich in einem guten Zustand. Vielleicht ist es etwas geschmacklos, dass sich gerade im ehemaligen Wachhaus des Konzentrationslagers (noch mit einem original Hakenkreuz und SS-Runen verziert) die heutige Kasse befindet. Der Eintritt kostet 1,50 Dinar, ungefähr 1,20 Euro. Erstaunlicherweise war ich zu meiner Besuchszeit der einzige Gast auf diesem Gelände. Die Dokumentation im dreistöckigen Hauptgebäude war sehr interessant. Die kleinen Zellen unter dem Dach vermittelten einen ziemlich guten Eindruck über die Bedingungen in diesem ehemaligen Konzentrationslager. 30.000 Häftlinge wurden in der Zeit zwischen 1941 und 1944 in diesem Lager inhaftiert. 12.000 wurden unweit davon ermordet. Auch wenn dieses KZ zu den kleinen und unbekannten Vernichtungslagern gehört, lohnt sich ein Besuch definitiv.

Und da es noch nicht gruselig genug war, stand als nächstes der Ćele Kula (Schädelturm) auf dem Programm. Dieses Monument befindet sich etwas weiter außerhalb der Stadt und wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von den Osmanen errichtet. Das Fundament dieses Bauwerks besteht aus Schädeln und Knochen aufständischer Serben und diente vor den Toren der Stadt als Abschreckung. Um den Turm wurde später ein Gebäude gebaut, um das Denkmal vor Schädeldiebstahl und Vandalismus zu schützen. Nach so viel Tot, Schmerz und Leid sollte zum Abschluss des Tages noch etwas anderes auf dem Programm stehen.

Um einen Blick auf die Stadt Niš zu bekommen, lohnt sich der Besuch des Čegar Hill. Dieses Denkmal befindet sich 6 Kilometer von Niš entfernt. Leider war die Aussichtsplattform vom Čegar Hill geschlossen und das schlechte Wetter ließ nur einen äußerst bescheidenen Ausblick über die Stadt zu. Ein paar Kilometer höher, auf der Spitze des Berges, ist die Aussicht (bei gutem Wetter) noch besser. Dort gibt es auch etliche Grillplätze sowie auch ein Wirtshaus. Am besten ist diese Stelle mit dem Auto zu erreichen.

Fazit: Der Tag in Niš hat mir trotz des dauerhaften schlechten Wetters gut gefallen. Es gibt in Niš allerhand zu entdecken. Ein oder zwei Tage reichen für Niš auch völlig. Die Stadt ist nicht sonderlich schön, hat aber trotzdem seinen Reiz. Die Preise sind unschlagbar und das Essen und Trinken gut. Wer nicht zu hohe Erwartungen hat, dem kann ich einen Ausflug nach Niš nur empfehlen. Unbedingt auch einen Ausflug außerhalb der Stadt machen. Hier ist die Natur noch völlig unberührt. Sie dazu auch: Reisebericht Devils Town / Prolom Banja / Pločnik (Serbien).

Fakten:

Geld: 1 Euro = 122 Serbische Dinar (Stand Mai 2017) tauschen überall möglich.
Flughafentransfer Stadt oder zum Flughafen: Taxi maximal 5 Euro, Bus 34A bis zum Zentralen Omnibusbahnhof 50 Cent.
Hotels: Ab 18 Euro aufwärts je nach Lage und Komfort.
WLAN: In fast allen Bars und Restaurants vorhanden

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Hendrik Lorenz

*1970 in Braunschweig.
Technischer Redakteur, Offsetdrucker und professionelles Arschloch.

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Kommentare

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God Tonya, come over email!!!! postamt@hendrik-lorenz.de
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Tonya hayslett gefällt ein Kommentar bei Impressum
Hey hendrik it's me Tonya took me a while but got a phone to find you
Mansour gefällt ein Kommentar bei Kotte & Zeller - Eine unendliche Bestellung
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