Kurzaufenthalt in Südniedersachen und Ostwestfalen

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Ich muss gestehen, ich bin mir gar nicht mehr so sicher, wann ich das letzte Mal in Südniedersachsen war. Wenn ich mich nicht täusche, muss es 1998 gewesen sein. Irgendwie und irgendwo im Northeimer und Göttinger Umgebung. Holzminden dürfte weitaus länger her sein. Erinnern konnte ich mich auf jeden Fall an den Stadtkern nicht mehr. Bis nach Braunschweig ging die Reise mit dem ICE recht flott. Dann brach aber abrupt die Geschwindigkeit ab. Mit einem Schienenbus, dessen Höchstgeschwindigkeit vielleicht bei 70 km/h lag, ging es erst einmal nach Seesen am Rande des Harzes. Welch ein trostloser Anblick. Der Seesener Bahnhof steht den Ostdeutschen Bahnhöfen in nichts nach. Trotz zünftiger Verspätung bekam ich noch meinen Anschluss nach Holzminden. Allerdings nur, weil auch der Anschlusszug eine erhebliche Verspätung vorzuweisen hatte. Gott sei Dank waren diese Provinzschienenbusse klimatisiert. Wäre es einer der noch vielen eingesetzten Schmuddel-Regionalexpresse aus den 80er Jahren gewesen, wäre es bei den Temperaturen ein echter Alptraum geworden. In Holzminden war der Bahnhof zwar genauso verwaist wie in Seesen, aber wenigstens nicht ganz so hässlich. Der Weg zum Hotel entpuppte sich als eine echte Hitze Strapaze – immer schön den Berg hinauf. Die Holzmindener Innenstadt sieht recht niedlich aus, sie war aber genauso verwaist wie der Bahnhof Holzminden. Viele leerstehende Geschäfte, kein Leben. Trostlos.

Auch an einem hochsommerlichen Tag waren die Plätze an den Weser-Bars relativ leer – zumindest die in der Hafenbar. Ein Grund wurde mir beim Blick auf die Preise schnell klar: 11,50 Euro für ein Schnitzel, das ist dann schon mal relativ happig. Trotzdem konnte ich nicht widerstehen. Als der Teller kam, stand schon mal eines fest: Die Portion ist für den Preis ziemlich übersichtlich. Das Schnitzel war klein, dafür umso dicker. Dass ein Schnitzel geklopft wird, bevor es in die Pfanne kommt, ist in Holzminden offensichtlich noch nicht angekommen. Auch nicht, dass ein solches Fleischstück nicht einfach in die Fritteuse geschmissen wird. In den Bratkartoffeln schienen mindestens 1 Liter Fett versenkt wurden zu sein. Nein – gutes Essen war das wirklich nicht, zumindest nicht für den Preis. Die Hafenbar sollte sich lieber auf den Ausschank konzentrieren, sonst können am Ende Rach & die Kochprofis auch nicht mehr helfen. Immerhin was das lokale Allersheimer Bier noch eigener maßen zu genießen. Doch zurück zu der Stadt Holzminden. Die ist in einer Stunde abzugehen. Viel gibt es nicht zu sehen. Schöne Fachwerkhäuser in der kleinen Altstadt, eine Kirche und ein altes Tor – das war es eigentlich schon.

Wie überall an der Weser ist das Campen sehr angesagt. Auf der westlichen Seite der Weser stehen die Wohnwagen bis an das Wasser. Auch das Freibad grenzt direkt an den Fluss. Schwimmen sollte hier vielleicht doch lieber niemand. Die braune Farbe des Wassers sieht nicht besonders gesund aus. Kanuvereine scheinen an der Weser so beliebt zu sein wie Kleingärtnervereine in Berlin. Weiter durch die Provinz der Republik. Diesmal mit der NRW-Bahn durch Nordrhein-Westfalen und Weserbergland bis zu den Anfängen des Teutoburger Waldes. In der östlichsten Großstadt von Nordrhein-Westfalen dann ein Stopp. Bielefeld hat eine Burg. Die Sparrenburg – wer hätte das gedacht? Schon öfters war die Stadt Bielefeld Ziel oder Durchfahrt, doch aufgefallen ist mir diese imposante Höhenburg noch nie. Grund genug, sich die Errungenschaft aus dem 12. Jahrhundert einmal näher anzuschauen. Am Fuße der Sparrenburg, die Stadt Bielefeld. Klarer Himmel und gute Sicht bis an den östlichen Teutoburger Wald. Im 2. Weltkrieg wurden die vier Türme der Sparrenburg als Flaktürme missbraucht. Deshalb waren die Burg auch oft Ziel von Angriffen der Alliierten. Seit Ende des 2. Weltkrieges wurden die Beschädigungen an der Sparrenburg bis heute immer wieder beseitigt.

Aktuell sind auf dem Burggelände auch Ausgrabungen zu sehen. Bei schönem Wetter dienen die Befestigungsanlagen und die darum herum befindlichen Rasenflächen als Ruheplatz für gestresste Großstädter. Für die kulinarische Verpflegung sorgt ein Restaurant im Burgfried. Die gesamte Anlage ist sehr interessant und lässt sich gut begehen. Die Sparrenburg sollte in jedem Bielefeld Besuch im Programm stehen.
Nächstens Ziel in der Nordrhein-Westfälischen Provinz: Harsewinkel bei Gütersloh. Hier sagen sich tatsächlich noch Hase und Igel gute Nacht. Einigen dürfte das kleine Kaff durch ein Maschinenbauunternehmen bekannt sein: Claas Landwirtschaftsmaschinen. Viele Menschen in Region verdienen hier ihr Geld und wohnen im näheren Umkreis. Überhaupt ist die Gütersloher Region keine arme Gegend. Die Leute profitieren von Unternehmen wie Bertelsmann, Claas oder Miele. Wirtschaftlich eine starke Region – wenn auch sehr ländlich.

Ein Ausflug an die angrenzende Ems hat auch seinen Reiz. An diesem Tage diente eine große Ackerfläche für ein internationales Treffen für selbstgebaute Fluggeräte. Eine Wiese wurde kurzerhand als Campingplatz umfunktioniert. Mehrere hundert Modellflieger schlugen hier ihr Lager auf. Grillbuden, Getränkestände, alles bestens organisiert. Glück hatten die Camper mit dem Wetter. Bei drei Tagen Dauerregen wäre die Flugshow wohl zur Schlammschlacht geworden.

Doch irgendwann geht jeder kleine Ausflug einmal zu Ende. Über Gütersloh sollte es mit der Bahn wieder nach Berlin gehen. Die Betonung liegt auf „sollte“. Daraus wurde so schnell aber nichts. Am kleinen Bahnhof gab es einen für die Stadt Gütersloh sicherlich ungewöhnlichen Polizeieinsatz. Offensichtlich fand auf den Gleisen des Bahnhofs irgendjemand den Tod. Ob Unfall oder Selbstmord sei dahingestellt. Die Männer in Schwarz luden vor dem Eingang zumindest diskret ihre Kiste in den Kofferraum. Demzufolge gab es natürlich Zugausfälle und Verspätungen. Erst nach 5 Stunden war die gute alte Hauptstadt wieder erreicht.

Fazit: Deutschlands Provinz ist schön. Diese zu erkunden kostet leider durch die schlechte Infrastruktur wahnsinnig viel Zeit – wählt man die Reise mit der Bahn. Besser ist es sicherlich mit dem Auto. Das Weserbergland ist meiner Meinung nach eines der meist verlassenen Gegenden der Republik. Struktur- und wirtschaftlich schwach, hat die Gegend es schwer ihre Einwohner zu halten. Wer flüchtet, kommt nie wieder. Das Gebiet um den Teutoburger Wald ist weitaus belebter und attraktiver.

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Hendrik Lorenz

*1970 in Braunschweig.
Technischer Redakteur, Offsetdrucker und professionelles Arschloch.

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Kommentare

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God Tonya, come over email!!!! postamt@hendrik-lorenz.de
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