Die Jahrhunderthalle in Breslau
Polen so nah und doch so fern? Schon komisch, dass ich es so lange in Berlin lebend noch nicht einmal über die Grenze geschafft habe. Vielleicht war es die Faulheit, denn längere Strecken mit dem Auto zu überwinden empfinde ich immer als recht ermüdend. Also Lückenfüller zwischen Weihnachten und Neujahr bot sich aber eine kleine Reise zu unseren Nachbarn Polen an. Posen, Danzig, Breslau, Stettin oder Krakau – vieles fiel schon wegen der Entfernung aus dem Programm. Die Wahl fiel schließlich auf Breslau. Die Stadt an der Oder ist in diesem Jahr Weltkulturhauptstadt und gilt als Geheimtipp in Polen.
Gesagt, getan, mit dem Auto ging es Richtung Süden und hinter Cottbus über die Grenze. Auf polnischen Staatsgebiet weiter über eine völlig desolate Landstraße Richtung Autobahn A4. In meinen Leben wurde ich noch nie auf einer Straße so durchgerüttelt. Die Autobahn war dann aber zum Glück relativ neu. Nur an die Höchstgeschwindigkeit von 140 Km/h musste ich mich noch gewöhnen. Überhaupt, über die gesamte Strecke wurde ich 2 Mal mit Lichthupe genötigt, 3 Mal rechts überholt und einmal ausgebremst. So ein Wahnsinn habe ich noch nie erlebt.
Ankunft in Breslau war am späten Nachmittag. Direkt rein in den fetten Berufsverkehr. Bis zum Hotel wurden durch die Stadt 45 Minuten benötigt. Die Innenstadt erschien etwas unübersichtlich. Viele Einbahnstraßen und notorischer Parkplatzmangel. Durch die späte Ankunft blieb am ersten Tag nicht viel Zeit sich etwas in Breslau etwas anzuschauen. Auffallend war aber die Dichte der Kneipen, Bars und Cafés, die allesamt gerammelt voll waren. Auch außerhalb des historischen Stadtkerns von Breslau gab es ein riesiges Angebot an Lokalitäten, die einem die Auswahl nicht einfach machten. In der Innenstadt von Breslau hing immer noch die Weihnachtsdekoration und die Straßenmusiker spielten tatsächlich auch weiterhin Weihnachtslieder. Da Polen nicht vor 2020 den Euro einführen wird, musste das Zahlungsmittel leider noch getauscht werden. Der Geldautomat bot einen echt kaum akzeptablen Umrechnungskurs an, doch ein wenig Bargeld für Trinkgeld oder ähnlichen sollte doch jeder in der Tasche haben. Also tauschte ich nur 50 Euro, der Rest lief über die Kreditkarte, denn jeder noch so kleine Laden akzeptiert in Breslau Kreditkarten. Ein Umstand, von dem wir in Deutschland nur träumen können. Hier wird von der Bank der direkte Tageskurs umgerechnet, plus maximal 1 % Auslandsumsatz. Das ist weitaus fairer.
Am späten Abend knurrte noch einmal der Magen, doch wie schon gesagt, die Auswahl an Lokalitäten in Breslau ist so groß, dass es schwerfiel sich zu entscheiden. Letztendlich entschied ich mich für das polnische Restaurant Gorące Piece, wo ich auf Glück ein Gericht bestellte, von dem ich nicht unbedingt wusste, was mich erwartet. Als das Gericht kam, entpuppte es sich als etwas doch recht gewöhnungsbedürftig. Geräuchertes Schweinefleisch mit Sauerkraut und Kartoffeln. Der Hunger trieb es letztendlich rein. Überraschend war dann der Preis. Mit mehreren Getränken zusammen gerade einmal 10 Euro. Das war mehr als nur etwas günstig.
Am nächsten Tag ging es zeitig los, denn im Winter wird es bekanntlich extrem schnell dunkel. Schlechte Voraussetzungen zum Fotografieren. Das Wetter spielte zum Glück mit. Sonne satt, nachdem es tags zuvor wie aus Eimern gegossen hatte. Um die gesamte Stadt Breslau zu erkunden, war natürlich die Zeit zu knapp. Also beschränkte ich mich fürs Erste auf den kommerziellen Part eines Breslau Aufenthaltes und erkundete ein wenig den inneren Part der 4. größten Stadt Polens. Richtung Südosten ging es zunächst am nationalen Forum für Musik, dem Monopol Hotel, der Oper und dem ehemaligen Kaufhaus Wertheim vorbei. Das aufwendig sanierte Kaufhaus ist originalgetreu wiederhergestellt und besticht durch seine imposante Architektur, die für Ihr Alter wie ein Neubau erscheint. Kurz hinter dem Kaufhaus gab es etwas Kurioses zu sehen. Über dem Nachtclub Ecke Piotra Skargi / Nowa befindet sich die Liebichshöhe (heute Wzgórze Partyzantów), eine Plattform mit Säulen und Springbrunnen. Wo früher Konzerte und Veranstaltungen stattgefunden haben, trifft sich heute wohl nur noch der Klientel des darunter gelegenen Nachtclubs zu diversen Sauf-Partys. Anders war die Vermüllung in Form von Bierflaschen nicht zu erklären. Das gesamte Areal befindet sich in einem desolaten Zustand und gleicht einem Lost Place.
Das für den Osten typische Bild bot sich auch in Breslau. Viel Neubau, viel sanierte und renovierte wunderschöne Architektur, aber eben auch Verfall. Insgesamt ließ sich aber erahnen, wie schön Breslau einmal gewesen sein muss, bevor es im Zweiten Weltkrieg so stark zerstört wurde. So wie es jetzt aber aussieht, haben es die Breslauer wieder extrem gut hinbekommen. Mit einem Schwenk nach Norden und einem kurzen Besuch in der Markthalle Hala Targowa ging es weiter Richtung der Oderinseln. Hier war es nicht sonderlich spannend. Ein Spaziergang lohnt sich trotzdem definitiv. Neben der Kirche Maria auf dem Sande gibt es mit der Dombrücke voller Liebesschlösser auch die Kreuzkirche und die Kirche Kathedrale St. Johannes der Täufer zu bewundern. Auf dem Rückweg ging es weiter durch die Altstadt, die aber durch den frühen Sonnenuntergang schon fast komplett im Dunklen lag. Der Tagesausflug Breslau endete im indischen Restaurant Masala Grill & Bar in der Nähe vom bombastischen Rathaus.
Nachdem das Tageslicht erloschen war, strahlten die Clubs, Bars und Cafés umso heller. Grund genug, sich auch hier einmal etwas näher umzuschauen. Auffällig ist in Breslau, mit wie viel Stil und Liebe Bars und Cafés betrieben werden. Kein Wunder, dass die Einrichtungen auch immer gerammelt voll sind. Viele Studenten suchen diese Lokalitäten auf. Zu empfehlen ist unter anderen das Bike Café und das Zynkarnia auf der Świętego Antoniego. Im Letzteren gab es kleine polnische Mahlzeiten wie Wraps oder belegte Brote. Ecke Świętego Antoniego / Pawła Włodkowica gibt es noch das AleBrowar Wrocław. Hier werden diverse polnische Bierspezialitäten angeboten. Ganz nett, wer es mag, nicht besonders preiswert und sehr laute Musik.
Tags darauf blieb für Breslau aufgrund der Rückreise nicht mehr so viel Zeit. Ein Abstecher in das Stadtteil Nadodrze, wo es noch viel Substanz aus den Gründerjahren und einen interessanten Hochbunker zu sehen gab. Zum Abschluss der kurzen Reise nach Breslau stand noch ein Besuch der wohl schönsten Hallen Europas an. Die Jahrhunderthalle in Breslau ist ein imposanter Bau, der von der Architektur her ein wenig an die Pläne der „großen Halle“ von Hitlers Germania erinnert. Der aufwendig sanierte Bau von 1913 ist nahe unverändert und wurde in den letzten Jahren auch im Inneren im Originalzustand wiederhergestellt.
Fazit: Die knapp 1,5 Tage in Breslau waren viel zu kurz. In Breslau gibt es trotz der vielen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg noch so viel an unglaublich interessanter Architektur zu entdecken, dass ein erneuter Besuch fast vorprogrammiert ist. Breslau ist auch eine sehr preisgünstige Stadt mit vielen tollen Restaurants und Cafés. Ich komme wieder.