- Hendrik Lorenz
- Kategorie: Spanien
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Der Sommer 1989 nahte und eine kleine Clique ungehobelter und teils desillusionierter junger Leute aus dem Landkreis Peine, ein echt übles Vorstadtghetto von Braunschweig, plante zusammen einen Urlaub. Da wollte ich natürlich mitmachen. Dennoch ließ meine schmale Drucker-Azubi-Lohntüte keine großen Sprünge zu. Und alleine fahren, mit 19 Jahren, kam auch nicht infrage. Also die große Frage in die Runde: Wer kommt mit? Es meldeten sich die üblichen Verdächtigen in Sachen Feierwut: Olaf W., Volker P., Jens S., Heiko S. und natürlich meine Wenigkeit. Da kaum jemand von einem monatlichen Geldsegen profitieren konnte, blieben die Reiseangebote relativ überschaubar. Die Wahl fiel letztendlich auf den so beliebten spanischen Badeort Lloret de Mar an der spanischen Costa Brava. Der erste Sauf- und Bumsurlaub des Lebens also. Leider bedeutete das auch einen kompletten Tag im Bus sitzen. Flugreisen waren Ende der 1980er-Jahre für Azubis leider noch nicht erschwinglich. Doch das war noch nicht alles. Kurz vor Beginn der Reise teilte der Reiseveranstalter (Sportjugend Niedersachsen) mit, dass Lloret de Mar überbucht sei und die Reise in das benachbarte Calella geht. Eigentlich eine Unverschämtheit seitens der Sportjugend und rechtlich fragwürdig.
Die Reise startete auf dem Parkplatz am Braunschweiger I-Punkt im Stadtteil Heidberg. Wie es sich für so eine Reise gehört, hatten wir für die lange Fahrt reichlich Gerstensaft eingekauft, um die 24-stündige Tortur ein wenig erträglicher zu machen. Und um ein wenig in Stimmung zu kommen, knallten schon beim Warten auf den Bus die ersten Bierdosen. Ein Gettoblaster sorgte dabei für die musikalische Untermalung der Szenerie. Trotzdem der tragbare Radiorekorder auf Zimmerlautstärke schallte, gefiel das der ansässigen Polizeistation gegenüber gar nicht. Es dauerte auch nicht lange und schon sah sich der erste Grünweiße dazu genötigt, uns zu belehren. Völlig ohne Grund, denn Musik und Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit ist in Deutschland nicht verboten. Nachdem sich der Freund und Helfer nach seiner Profilierung wieder in seine Wache verzogen hatte, kam dann auch endlich der Bus. Statt direkt auf die A7 ging es allerdings erst einmal nach Wolfsburg, um dort weitere Reisende einzusammeln. In Wolfsburg stieg dann auch ein unsagbar fetter „Skinhead“ ein, der unsere Reise noch für Jahre unvergesslich machen würde. Doch dazu später mehr. Der dicke Skinhead führte ebenfalls einen Gettoblaster mit sich, aus dem Trinktoifel, Skrewdriver und Co. dröhnte. Aufgrund seines Aussehens bekam er von uns schnell den Namen „Terror“ (eine Anspielung auf den dicken Skinhead in dem Film „The Wanderers“) verpasst. Es folgte eine unendlich lange Busfahrt durch Deutschland und Frankreich. Zwischenzeitlich hatte kaum noch jemand Hoffnung, dass wir jemals ankommen werden und nach über 20 Stunden tat einem alles weh. An Schlafen auch nicht zu denken. Doch irgendwann war es so weit, wir hatten den Zielort erreicht. Das Hotel eine einzige Bettenburg an einer Straße, an der sich eine Kneipe nach der anderen reihte. Nun hatten wir ein Problem. In jedem Zimmer konnten zwei von uns untergebracht werden, doch wir waren zu fünft. Das hieß: Einer musste auserkoren werden, mit einem völlig Fremden das Zimmer zu teilen. Schnell war ein Opfer gefunden: Heiko S. Und mit wem musste er sich jetzt das Zimmer teilen? Natürlich mit Terror. So richtig glücklich schien er über diese Entscheidung nicht gewesen zu sein. Nach drei Tagen mit Terror wurde aus einem zweier Zimmer ein Dreierzimmer gemacht. Ich teilte mir ein Zimmer mit Olaf W. Zimmer konnte diese Abstellkammer aber eigentlich nicht genannt werden. Der Verschlag war nur mit einem kleinen Fenster zum Dach hinaus versehen. Das Dach war überseht war mit Flaschen, voll gewichsten Spritztüten und Bierdosen. Die Hitze im Raum war so unerträglich, dass wir nach ein paar Tagen das Zimmer wechseln mussten. Insgesamt war das Hotel in einem desolaten Zustand. Touristenklasse der übelsten Sorte. Das Essen meistens ungenießbar. Es hagelte dauerhaft Beschwerden. Der Weg zum Strand war zum Glück nicht weit. Dort war es am Tage zwischen den Massen an Menschen aber auch nicht immer sehr entspannend.
Die Welt ist klein. Auch 1600 Kilometer von der Heimat entfernt hatten wir Mitte des Urlaubs in einem Supermarkt in Calella eine Begegnung der besonderen Art. Wir trafen dort auf unseren Vereinskameraden und bekannten Detlev G. Dieser war aber mit der Begegnung mit uns nicht sonderlich amüsiert, sondern empfand es wohl gegenüber seiner mitgereisten Fickhenne eher als peinlich. Immerhin war er als Verkäufer bei Flebbe (ein damals angesagtes Modegeschäft in der Braunschweiger Innenstadt) unseres nicht mehr würdig. Das Verhalten machte Olaf W. so rasend, dass man ihn bändigen musste, damit er nicht „den feinen Herrn“ an die Gurgel geht.
Fazit: Auch wenn diese Reise nicht wirklich zu den Highlights meines bisherigen Lebens gehört, bleibt sie unvergessen. Es hat unfassbar viel Spaß gemacht trotz der strapaziösen Reise mit dem Bus. In diese Gegend wird es mich allerdings wohl in diesem Leben nicht noch einmal verschlagen und ein reiner Kneipen und Strandurlaub wäre auch nichts mehr für mich. Geil wars.